Rewatch: Wonderful Days - Die Tage der Hoffnung (2003, Anime, Südkorea)
Vor Kurzem habe ich den vermutlich kaum bekannten Science-Fiction/Cyberpunk Anime "Wonderful Days (2003, Südkorea)" erneut angeschaut - nach ca. 19 Jahren. Damals hatte er mir wirklich sehr gut gefallen und in gewisser Weise so sehr beeindruckt, dass ich mich nach all der Zeit noch an ihn erinnern konnte. Hatte ihn damals allerdings nur aus der Videothek ausgeliehen (ja, sowas gab es damals noch lol), aber nie selbst besessen. Das habe ich jetzt geändert und mir gleich eine 4-Disc-Special-Edition zugelegt mit Director’s Cut, Original Kinofassung, Soundtrack und Bonusmaterial. Sehr schön in einem Thin-Pak verpackt. Angeschaut habe ich mir den 7 Minuten längeren Director’s Cut. Wie gut gefällt mir der Anime heute - nach fast 2 Dekaden? Dieser Frage will ich in dieser Review nachgehen…
“Wonderful Days”: Das Kernthema
Wonderful Days dreht sich im Wesentlichen um eine Welt im Jahre 2142, in der die Menschen den Planeten Erde fast komplett zerstört haben - also eine Welt nach dem kompletten Umweltkollaps. Lediglich eine hochtechnisierte Stadt unter einer Kuppel ermöglicht "normales" Leben: Ecoban. Allerdings natürlich nur für bestimmte privilegierte Menschen, wie Wissenschaftler, Ärzte und andere “Intellektuelle”. Um die Stadt mit Energie zu versorgen, wurde ein spezielles System Namens “Delos” entwickelt, das die Umweltverschmutzungen rund um die Kuppelstadt in Energie umwandelt und somit nutzbar aber sogleich auch unglaublich wichtig für das profitorientierte Regime werden lässt. Damit das so bleibt, die Stadt weiterhin mit Energie versorgt werden kann, muss somit die Ökoverwüstung um jeden Preis aufrechterhalten werden. Außerhalb der Kuppel leben Arbeiter unter widrigsten Bedingungen zusammengepfercht in Ghettos, die grotesker Weise nichts weiter zutun haben, als z.B. mittels Bohrinseln die Umweltverschmutzung weiter voranzutreiben, damit die Energieversorgung der Stadt weiterhin gewährleistet bleibt. Das Ökosystem ist so sehr kollabiert, dass die Menschen noch nie einen klaren, blauen Himmel zu sehen bekommen haben. Die ganze Situation sorgt natürlich dafür, dass sich eine Widerstandsgruppe gebildet hat, mit dem Ziel, das Delos System zu zerstören und somit dem Planeten wieder die Möglichkeit zur Regeneration zu geben - damit endlich wieder ein blauer Himmel zu sehen sein wird.
Die Handlung von “Wonderful Days”: Worum gehts denn eigentlich?
Der Plot an sich strickt sich um einen totgeglaubten ehemaligen privilegierten Jungen namens Shua, der gegen das Regime rebellierte, weil er mit dem berüchtigten Widerständler “Dr. Noah” Kontakt hatte, der ihm von einer ominösen Insel namens "Gibraltar" erzählte, wo es einen klaren, sauberen, blauen Himmel gäbe - anders als hier. Als Kind hatte er 2 "Freunde": Ein Mädchen namens Jay & einen Jungen namens Cade. Und wie so oft, kommt es wie es kommen muss: Es bildet sich eine Dreiecks-Geschichte, denn natürlich verlieben sich beide Jungs in Jay. Rivalitäten entstehen und schließlich endet es in einem folgenschweren "Unfall", bei dem der Hauptcharakter Shua vermeintlich stirbt. Als er sehr viel später als inzwischen Erwachsen gewordener Rebell bei einer Mission wichtige Daten über das Delos System besorgt und beinahe von Ecobans Sicherheitsleuten gefasst wurde, trifft er nach Jahren zufällig wieder auf Jay und muss feststellen, dass sie nun ebenfalls für Ecobans Regime arbeitet. Sie und Cade sind Teil einer Art Sicherheits-Abteilung Ecobans und halten die Kuppelstadt "am Laufen". Bei der flüchtigen Begegnung erkennt auch sie Shua wieder und macht Jagd auf ihn. Er hingegen versucht sie vom Widerstandsgedanken zu überzeugen. Loyalitätskonflikte entstehen und ein Tauziehen zwischen Cade und Shua um Jays Herz entbrennt. Wie wird es Enden? Wer gewinnt? Wird die Menschheit endlich wieder einen blauen Himmel zu sehen bekommen?
Nun aber zum Eingemachten: Meine Kritik zu “Wonderful Days”
So weit, so interessant: Ein hochbrisantes, aktuelles Thema im Cyberpunk-Gewand! Geil! Besser gehts doch kaum - aber leider muss ich sagen, inhaltlich liegt der Film weit unter meinen Erwartungen und irgendwie scheine ich damals niedrigere Ansprüche gehabt zu haben… Dialoge sowie Figuren bleiben leider eher flach - auch die Story, die eigentlich ein sehr gutes und spannendes Setting bieten würde, verspielt leider jegliches Potential. Einige der Figuren sind zwar interessant und/oder sympathisch, aber ihre Handlungen nicht immer nachvollziehbar oder logisch - eine Entwicklung ist zu keiner Zeit erkennbar. Dazu kommt, dass einiges einfach nur deshalb passiert, damit der Zuschauer jemanden mag oder eben nicht, aber ohne einen erkennbaren Aufbau bis dahin, es passiert einfach - BÄM - guck der erschießt einfach wen, der is wohl böse…
Ich finde das zutiefst schade, weil aus diesem Film hätte ein Meisterwerk werden können. Optisch schafft er es durchaus auch heute noch mich in seinen Bann zu ziehen. Unglaublich schöne Szenenbilder mit teilweise gekonnt durch CGI unterstützten Zeichnungen, lassen einen träumen und in die Welt eintauchen.
Der Plot an sich baut sich im Grunde rund um die Dreiecksbeziehung zwischen Shua, Jay und Cade auf. Eine Liebesgeschichte in gewisser Weise, in der die Protagonisten erst getrennt dann mühsam wieder vereint werden und gegen den Antagonisten bestehen müssen. Irgendwie also eine Art "Romeo und Julia" in flach mit Neonlichtern im Setting einer Ökokrise. Das wäre eigentlich ja nicht mal das schlechteste, wenn es bessere Dialoge gegeben hätte. Die hätten der Liebesgeschichte, oder der Story ganz allgemein, sicher mehr Gewicht und Tiefe verliehen - von logischen Handlungen, Charakterentwicklung mal ganz zu Schweigen. Aber all das bleibt leider auf der Strecke. Man verliert sich in schönen Bildern.
Das Worldbuilding, das ebenso wichtig ist, wie die Charakterentwicklung, wurde (wen wundert es noch) genauso vernachlässigt und versumpft in der cineastischen Darstellung. Man erfährt überhaupt nichts über das Leben der beiden Welten - innerhalb der Kuppel und außerhalb. Was immens schade ist! Das hätte laufen können, wie bei der Erfolgsanimationsserie Arcane von Netflix! Aber: Verspieltes Potential auf ganzer Linie! Gut, man sieht Draußen gibt es nur Ghettos. Die Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen und es ist eher alles dreckig & einfach gehalten. Innerhalb Ecoban - also der Kuppelstadt - tragen die Menschen alle nur "weiße" Klamotten, alles ist clean/steril... YAY! Ok, der Holzhammer ist angekommen… Aber damit natürlich nicht genug: Man sieht, die Menschen in den Slums haben wohl Kneipen mit Tanzeinlagen, die Menschen in Ecoban zelebrieren mit einer Parade irgendein kulturelles Ereignis, das nicht weiter benannt ist. Also wow, ja, die Arbeiter saufen, die Reichen ergießen sich in Kultur… wie originell… Das ist fast schon “lazy Writing” in Reinkultur.
Mein Fazit
Naja viel positives lässt sich leider nicht über diesen Film sagen. Einzig die Bildgewalt ist wirklich ein Blick Wert und vermag es wirklich auch nach 19 Jahren noch zu überzeugen. Die verwendeten Stile und Effekte sind gut gealtert und sehen wirklich immer noch verdammt gut aus. Die Story des Films jedoch… kratzt nicht einmal an der Oberfläche ihrer Möglichkeiten und verspielt jedes Quäntchen Potential mit einem Feuereifer, als wäre es eine Art Sport. Wer sich einfach nur in wirklich schönen Szenenbildern und Moneyshots verkriechen will, der wird mit diesem südkoreanischen Anime von 2003 seine helle Freude haben und aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Wer jedoch ein bisschen etwas fürs Hirn möchte, vielleicht auch etwas fürs Herz - der wird bei diesem Werk wohl eher enttäuscht werden.
Wie es besser ginge, zeigt das Video mit Musikuntermalung von “Ghost in the Shell 2: Innocence”. Der Videoautor schneidet den Film kongenial zurecht. So wirkt der Anime viel rasanter, schlüssiger, spannender und letztlich sogar auch emotionaler. Innerhalb knapp 7 Minuten schafft man es alle handlungstragenden Schlüsselszenen zusammenzuschneiden, etwas in der Reihenfolge angepasst und teilweise übereinander oder gegen geschnitten. Das transportiert die Geschichte und die Emotionen sehr viel besser, als es Wonderful Days getan hat.
Und weil ich das aus Zufall noch auf Youtube gefunden habe und recht spannend und gut gemacht fand: Hier noch eine englischsprachige Review mit einem interessanten Vergleich der Original-Version (Südkorea) mit der englischen Version, die in UK sogar einen anderen Titel erhalten hatte - “Sky Blue”. Die Rezensionistin geht auf etliche Unterschiede, sowohl inhaltlich als auch musikalisch, ein und behandelt einige der Probleme des Films. Wirklich sehr sehenswert, wer noch mehr Details zum Anime “Wonderful Days” sehen möchte.
Meine abschließende Wertung in den einzelnen Bereichen
Gesamtwertung
DANKSAGUNG
Ein besonderer Dank geht an meine Freundin (auf Twitter bekannt als @Nastja_the_Mox), die mir einige Formulierungstipps beim Erstellen des Artikels gab. Vielen Dank! Du bist einfach die beste Nastja!
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